Highlights
● Die Rheologie binärer sulfatfreier Tensidmischungen wird experimentell charakterisiert.
● Die Auswirkungen von pH-Wert, Zusammensetzung und Ionenkonzentration werden systematisch untersucht.
● Das CAPB:SMCT-Tensid-Massenverhältnis von 1:0,5 erzeugt eine maximale Scherviskosität.
● Um eine maximale Scherviskosität zu erreichen, ist eine erhebliche Salzkonzentration erforderlich.
● Die aus DWS abgeleitete Länge der Mizellenkontur korreliert stark mit der Scherviskosität.
Abstrakt
Auf der Suche nach sulfatfreien Tensidplattformen der nächsten Generation bietet die vorliegende Arbeit eine der ersten systematischen rheologischen Untersuchungen von wässrigen Mischungen aus Cocamidopropylbetain (CAPB) und Natriummethylcocoyltaurat (SMCT) bei unterschiedlicher Zusammensetzung, pH-Wert und Ionenstärke. Wässrige CAPB-SMCT-Lösungen (Gesamtkonzentration des aktiven Tensids 8–12 Gew.-%) wurden in mehreren Tensidgewichtsverhältnissen hergestellt, auf pH-Werte von 4,5 und 5,5 eingestellt und mit NaCl titriert. Stationäre und oszillierende Schermessungen quantifizierten die makroskopische Scherviskosität, während die Mikrorheologie mittels Diffusionswellenspektroskopie (DWS) frequenzaufgelöste viskoelastische Module und charakteristische micellare Längenskalen lieferte. Unter salzfreien Bedingungen zeigten die Formulierungen eine Newtonsche Rheologie mit maximalen Scherviskositäten bei einem CAPB:SMCT-Gewichtsverhältnis von 1:0,5, was auf eine verstärkte kationisch-anionische Kopfgruppenverbrückung hindeutet. Durch die Absenkung des pH-Werts von 5,5 auf 4,5 wurde CAPB eine stärkere positive Nettoladung verliehen, wodurch die elektrostatische Komplexierung mit dem vollständig anionischen SMCT verstärkt und robustere micellare Netzwerke erzeugt wurden. Durch systematische Salzzugabe wurden die Kopfgruppen-Kopfgruppen-Abstoßungen moduliert, was die morphologische Entwicklung von diskreten Micellen zu länglichen, wurmartigen Aggregaten vorantrieb. Die Null-Scher-Viskositäten zeigten ausgeprägte Maxima bei kritischen Salz-Tensid-Verhältnissen (R), was das komplizierte Gleichgewicht zwischen elektrostatischer Doppelschicht-Abschirmung und micellarer Dehnung verdeutlichte. Die DWS-Mikrorheologie bestätigte diese makroskopischen Beobachtungen und enthüllte ausgeprägte Maxwell-Spektren bei R ≥ 1, was mit reptationsdominierten Bruch-Rekombinationsmechanismen übereinstimmt. Bemerkenswerterweise blieben die Verschränkungs- und Persistenzlängen relativ invariant gegenüber der Ionenstärke, während die Konturlänge starke Korrelationen mit der Null-Scher-Viskosität aufwies. Diese Erkenntnisse unterstreichen die entscheidende Rolle der Mizellenverlängerung und der thermodynamischen Synergie bei der Regulierung der Viskoelastizität von Flüssigkeiten und bieten einen Rahmen für die Entwicklung leistungsstarker sulfatfreier Tenside durch präzise Kontrolle der Ladungsdichte, Zusammensetzung und ionischen Bedingungen.
Grafische Abstraktion

Einführung
Wässrige binäre Tensidsysteme mit entgegengesetzt geladenen Spezies werden in zahlreichen Industriezweigen eingesetzt, darunter in der Kosmetik-, Pharma-, Agrochemie- und Lebensmittelindustrie. Die weite Verbreitung dieser Systeme ist vor allem auf ihre überlegenen Grenzflächen- und rheologischen Funktionalitäten zurückzuführen, die eine verbesserte Leistung in diversen Formulierungen ermöglichen. Die synergistische Selbstorganisation solcher Tenside zu wurmartigen, verwickelten Aggregaten verleiht ihnen hochgradig anpassbare makroskopische Eigenschaften, darunter eine erhöhte Viskoelastizität und eine reduzierte Grenzflächenspannung. Insbesondere Kombinationen aus anionischen und zwitterionischen Tensiden zeigen synergistische Verbesserungen der Oberflächenaktivität, Viskosität und Modulation der Grenzflächenspannung. Dieses Verhalten entsteht durch verstärkte elektrostatische und sterische Wechselwirkungen zwischen den polaren Kopfgruppen und den hydrophoben Enden der Tenside. Im Gegensatz dazu begrenzen bei Systemen mit nur einem Tensid abstoßende elektrostatische Kräfte häufig die Leistungsoptimierung.
Cocamidopropylbetain (CAPB; SMILES: CCCCCCCCCCCC(=O)NCCCN+ (C)CC([O−])=O) ist aufgrund seiner milden Reinigungswirkung und haarpflegenden Eigenschaften ein weit verbreitetes amphoteres Tensid in kosmetischen Formulierungen. Die zwitterionische Natur von CAPB ermöglicht eine elektrostatische Synergie mit anionischen Tensiden, wodurch die Schaumstabilität verbessert und eine überlegene Formulierungsleistung gefördert wird. In den letzten fünf Jahrzehnten sind CAPB-Mischungen mit sulfatbasierten Tensiden, wie z. B. CAPB-Natriumlaurylethersulfat (SLES), zu einem grundlegenden Bestandteil von Körperpflegeprodukten geworden. Trotz der Wirksamkeit sulfatbasierter Tenside haben Bedenken hinsichtlich ihres Hautreizungspotenzials und des Vorhandenseins von 1,4-Dioxan, einem Nebenprodukt des Ethoxylierungsprozesses, das Interesse an sulfatfreien Alternativen geweckt. Zu den vielversprechenden Kandidaten zählen Tenside auf Aminosäurebasis wie Taurate, Sarcosinate und Glutamate, die eine verbesserte Biokompatibilität und mildere Eigenschaften aufweisen [9]. Allerdings behindern die relativ großen polaren Kopfgruppen dieser Alternativen häufig die Bildung stark verwickelter Mizellenstrukturen, sodass der Einsatz rheologischer Modifikatoren erforderlich ist.
Natriummethylcocoyltaurat (SMCT; SMILES:
CCCCCCCCCCCC(=O)N(C)CCS(=O)(=O)O[Na]) ist ein anionisches Tensid, das als Natriumsalz durch Amidkupplung von N-Methyltaurin (2-Methylaminoethansulfonsäure) mit einer aus Kokosnüssen gewonnenen Fettsäurekette synthetisiert wird. SMCT besitzt eine amidgebundene Taurin-Kopfgruppe neben einer stark anionischen Sulfonatgruppe, wodurch es biologisch abbaubar und pH-verträglich ist, was es zu einem vielversprechenden Kandidaten für sulfatfreie Formulierungen macht. Taurat-Tenside zeichnen sich durch ihre starke Reinigungskraft, Widerstandsfähigkeit gegen hartes Wasser, Milde und breite pH-Stabilität aus.
Rheologische Parameter wie Scherviskosität, viskoelastische Module und Fließspannung sind entscheidend für die Stabilität, Textur und Leistung von Produkten auf Tensidbasis. So kann beispielsweise eine erhöhte Scherviskosität die Substratretention verbessern, während die Fließspannung die Haftung der Formulierung auf Haut oder Haar nach der Anwendung bestimmt. Diese makroskopischen rheologischen Eigenschaften werden durch zahlreiche Faktoren moduliert, darunter Tensidkonzentration, pH-Wert, Temperatur und das Vorhandensein von Co-Lösungsmitteln oder Zusatzstoffen. Entgegengesetzt geladene Tenside können verschiedene mikrostrukturelle Übergänge durchlaufen, die von sphärischen Mizellen und Vesikeln bis hin zu flüssigkristallinen Phasen reichen, die wiederum die Rheologie des Gesamtprodukts stark beeinflussen. Mischungen aus amphoteren und anionischen Tensiden bilden oft längliche wurmartige Mizellen (WLMs), die die viskoelastischen Eigenschaften deutlich verbessern. Das Verständnis der Mikrostruktur-Eigenschafts-Beziehungen ist daher für die Optimierung der Produktleistung von entscheidender Bedeutung.
Zahlreiche experimentelle Studien haben analoge binäre Systeme wie CAPB–SLES untersucht, um die mikrostrukturellen Grundlagen ihrer Eigenschaften aufzuklären. So korrelierten Mitrinova et al. [13] die Mizellengröße (hydrodynamischer Radius) mit der Lösungsviskosität in Mischungen aus CAPB–SLES–mittelkettigen Cotensiden mittels Rheometrie und dynamischer Lichtstreuung (DLS). Die mechanische Rheometrie bietet Einblicke in die mikrostrukturelle Entwicklung dieser Mischungen und kann durch optische Mikrorheologie mittels Diffusorwellenspektroskopie (DWS) ergänzt werden, die den zugänglichen Frequenzbereich erweitert und kurzzeitige Dynamiken erfasst, die besonders für WLM-Relaxationsprozesse relevant sind. Bei der DWS-Mikrorheologie wird die mittlere quadratische Verschiebung eingebetteter kolloidaler Sonden über die Zeit verfolgt, wodurch die linearen viskoelastischen Module des umgebenden Mediums über die verallgemeinerte Stokes-Einstein-Beziehung extrahiert werden können. Diese Technik erfordert nur minimale Probenvolumina und ist daher vorteilhaft für die Untersuchung komplexer Flüssigkeiten mit begrenzter Materialverfügbarkeit, z. B. Formulierungen auf Proteinbasis. Die Analyse von < Δr²(t)>-Daten über breite Frequenzspektren erleichtert die Schätzung von Mizellenparametern wie Maschenweite, Verschränkungslänge, Persistenzlänge und Konturlänge. Amin et al. haben gezeigt, dass CAPB-SLES-Gemische den Vorhersagen der Cates-Theorie entsprechen und einen deutlichen Anstieg der Viskosität bei Salzzugabe bis zu einer kritischen Salzkonzentration aufweisen, bei deren Überschreitung die Viskosität steil abfällt – eine typische Reaktion in WLM-Systemen. Xu und Amin setzten mechanische Rheometrie und DWS ein, um SLES-CAPB-CCB-Gemische zu untersuchen und enthüllten eine Maxwellsche rheologische Reaktion, die auf die Bildung verschränkter WLMs hindeutet, was durch aus den DWS-Messungen abgeleitete mikrostrukturelle Parameter weiter untermauert wurde. Aufbauend auf diesen Methoden integriert die vorliegende Studie mechanische Rheometrie und DWS-Mikrorheologie, um zu klären, wie mikrostrukturelle Reorganisationen das Scherverhalten von CAPB-SMCT-Gemischen bestimmen.
Angesichts der steigenden Nachfrage nach sanfteren und nachhaltigeren Reinigungsmitteln hat die Erforschung sulfatfreier anionischer Tenside trotz Herausforderungen bei der Formulierung an Dynamik gewonnen. Die unterschiedlichen Molekülarchitekturen sulfatfreier Systeme führen häufig zu unterschiedlichen rheologischen Profilen, was herkömmliche Strategien zur Viskositätssteigerung, etwa durch Salz- oder Polymerverdickung, erschwert. Yorke et al. erforschten beispielsweise sulfatfreie Alternativen, indem sie die Schaum- und rheologischen Eigenschaften von binären und ternären Tensidmischungen mit Alkylolefinsulfonat (AOS), Alkylpolyglucosid (APG) und Laurylhydroxysultain systematisch untersuchten. Ein AOS-Sultain-Verhältnis von 1:1 zeigte eine Strukturviskosität und Schaumeigenschaften ähnlich denen von CAPB-SLES, was auf die Bildung von WLM hindeutet. Rajput et al. [26] untersuchten ein weiteres sulfatfreies anionisches Tensid, Natriumcocoylglycinat (SCGLY), zusammen mit nichtionischen Cotensiden (Cocamiddiethanolamin und Laurylglucosid) mittels DLS, SANS und Rheometrie. Obwohl SCGLY allein überwiegend sphärische Mizellen bildete, ermöglichte die Zugabe von Cotensiden die Konstruktion komplexerer Mizellenmorphologien, die sich einer pH-gesteuerten Modulation zugänglich machten.
Trotz dieser Fortschritte haben sich vergleichsweise wenige Untersuchungen mit den rheologischen Eigenschaften nachhaltiger sulfatfreier Systeme auf Basis von CAPB und Tauraten befasst. Diese Studie soll diese Lücke schließen, indem sie eine der ersten systematischen rheologischen Charakterisierungen des binären CAPB-SMCT-Systems liefert. Durch systematische Variation der Tensidzusammensetzung, des pH-Werts und der Ionenstärke klären wir die Faktoren auf, die die Scherviskosität und Viskoelastizität bestimmen. Mittels mechanischer Rheometrie und DWS-Mikrorheologie quantifizieren wir die mikrostrukturellen Reorganisationen, die dem Scherverhalten von CAPB-SMCT-Gemischen zugrunde liegen. Diese Erkenntnisse verdeutlichen das Zusammenspiel von pH-Wert, CAPB-SMCT-Verhältnis und Ionenkonzentrationen bei der Förderung oder Hemmung der WLM-Bildung und bieten so praktische Einblicke in die Anpassung der rheologischen Profile nachhaltiger tensidbasierter Produkte für verschiedene industrielle Anwendungen.
Beitragszeit: 05.08.2025